Winterzeit? Nein: Bestzeit in Mainhatten

Auch wenn in der Nacht zum Sonntag die Uhren eine Stunde zurück gestellt werden und wir eine Stunde länger schlafen können, habe ich mich entschieden, mit meiner Familie schon am Vortag nach Frankfurt anzureisen.

Dadurch haben wir die Möglichkeit, auf der großen Marathonmesse in aller Ruhe zu shoppen oder Infos einzuholen. Auf der Messe tummeln sich jede Menge bekannte Sportler. Es gibt für Emilio Fotos und Autogramme von Anna Hahner, Dieter Baumann, Christian Schiester und dem frisch gebackenen Iron Man Weltmeister Jan Frodeno.

Dann geht’s zur Festhalle, in der die Pasta-Party stattfindet. Jan Frodeno wird gerade interviewt. Es wird also allerhand Sportprominenz aufgeboten. Zur Pasta gibt es drei kostenlose Getränke und wir bekommen jetzt schon einen Vorgeschmack auf die Atmosphäre in der „altehrwürdigen“ Festhalle.

Unser Hotel Maritim liegt optimal und bietet einen wunderbaren Blick auf die nächtliche Hochhausskyline. Zur Festhalle und zum Startbereich sind es gerade mal 200 Meter. Wie wir beim Einchecken feststellen, haben noch viele weitere Sportler und auch Messeaussteller  hier Quartier bezogen.

Gemeldet sind rund 14.500 Marathonläufer, über 1.000 davon für die deutsche Meisterschaft. Etwa 7.500 Staffelläufer gehen an den Start sowie 1.300 Kinder und Jugendliche beim Mini-Marathon. Insgesamt wird mit über 24.000 Läufern gerechnet und es gibt hier in Frankfurt eine Leistungsdichte bei den Spitzenläufern wie sonst nirgendwo im Lande.

Die Nacht verläuft ruhig und ich bin, auch wegen der Zeitumstellung, richtig gut ausgeschlafen. Knapp eine Stunde vor dem Start gehe ich zur Messehalle, um meinen Kleiderbeutel abzugeben. Die Kleiderabgabe im ersten Stock ist großzügig bemessen und es herrscht erstaunlich wenig Gedränge. Das Wetter für heute sieht für uns Läufer auch richtig gut aus. Beim Start werden wir so 12 Grad Celsius haben, kein Regen, optimal!

Die Startblöcke liegen vor dem Messeturm am Ludwig-Erhard-Platz. Mein Startbereich ist ganz vorne und nennt sich Asics. Der Bereich geht bis zu einer Finisher Zeit von 3:15. Wie sich für mich herausstellt, ist das ein ziemlich großer Bereich und ich muss mich zwischen den ganzen 3:15 Läufern einordnen.

Pünktlich um 10:00 Uhr fällt der Startschuss und wir bewegen uns nur langsam am Moderatorentisch des Hessischen Fernsehens und Co-Kommentator Dieter Baumann vorbei  nach vorne. Der Lauf wird komplett im Dritten live übertragen und ist noch nachträglich in der Mediathek anzusehen.

Und jetzt gilt`s!

Über die Zeitmatte an der Friedrich-Ebert-Anlage geht es Richtung Innenstadt. Vor mir sehr viele Läufer mit langsamen Tempo. Zwar bin ich jetzt im Laufen, meine Uhr zeigt mir aber eine Pace von 4:30 an. Also Lücken suchen, Gas geben, auflaufen, abbremsen. Das nervt und erfordert eine enorme Konzentration!

Aber Genussläufer sind hier die wenigsten. Tempo ist das Gebot der Stunde. Die Strecke ist gut für einen Weltrekord – warum dann nicht auch für eine neue persönliche Bestzeit?

Ein Blick auf die nahen Wolkenkratzer von „Mainhattan“ und schon geht es am Platz der Republik nach links in die Mainzer Landstraße. Im Business-District blicken wir auf Hochglanzfassaden der Bürokomplexe, im Hintergrund überragen die Twin Towers der Deutschen Bank .

Viel nehme ich von der Skyline und den Sehenswürdigkeiten nicht wahr. Meine Konzentration liegt darin, in den richtigen und gleichmäßigen Schritt zu kommen und keinem anderen Läufer in die Hacken zu treten.

Bei Kilometer 5 schau ich auf meine Uhr und bin erstaunlicherweise nur ein paar Sekunden über meiner Durchgangszeit. Das gibt Auftrieb und jetzt habe ich Platz und versuche in einen gleichmäßigen Schritt zu kommen.

Trotz Konzentration auf den Laufschritt, macht sich die hochmotivierte Zuschauermeute, die trotz frostiger Außentemperaturen vom Start weg dicht gedrängt den Streckenrand füllt, bei mir bemerkbar. Sie bestätigt Frankfurts Ruf als Stimmungshochburg. Motivationsfördernd wirkt dabei zweifelsohne die Musik, die uns auf Schritt und Tritt um die Ohren schallt. 90 Bands sollen es in diesem Jahr sein, die Läufern und Zuschauern entlang der Strecke live einheizen.

Meine Verpflegungsstrategie für diesen Marathon ist recht einfach, Wasser und sonst nichts. Vielleicht gegen Ende ein Schluck Cola, das muss und wird reichen. Den Gels, Riegeln etc. habe ich schon seit einiger Zeit abgesagt und fahre damit richtig gut.

Kurzer Wechsel zum Mini-Marathon. Emilio startet pünktlich um 10:50 Uhr. Der 4,2 Kilometer Kurs geht über die Marathonstrecke (Platz der Republik, Mainzer Landstraße, Rossmarkt, zurück auf die Mainzer Landstraße) und endet wie bei uns in der Festhalle. Somit laufen die Schüler auch ein Stück parallel zu den Marathonläufern und nehmen die tolle Atmosphäre und Stimmung mit auf. Emilio läuft in einer respektablen Zeit von 24:47 bei tosendem Applaus über die Ziellinie der Festhalle.

Vor-Start_Michael_Emilio

Wieder Wechsel zum Marathon. Bei der Marke zum Halbmarathon liege ich immer noch knapp über meiner Durchgangszeit, wenn ich die halte, wäre ich in einer absolut tollen Zeit im Ziel. Aber etwa bei Kilometer 27 beginnt sich mein Kopf zu melden: „Mensch nur noch eine Stunde! Die powerst Du doch ohne weiteres durch!“ Doch jetzt weiß ich, es wird ernst und ab jetzt ist der Kopf gefragt. Bis Kilometer 33 kann ich die Pace noch einigermaßen halten, aber dann macht sich die kurze Vorbereitung von nur fünf Wochen bemerkbar. Mir fehlt gegen Ende einfach die Tempohärte. Hiermit besten Dank an Hans-Jürgen Eichberger für die vielen Tipps, Ratschläge und Trainingsplanung für die kurzen Vorbereitungswochen!

Auf den letzten Kilometern kann ich nichts mehr entgegensetzen und biege trotzdem voller Freude und einem guten Gefühl in die Festhalle ein. Das grandiose Finale steht kurz bevor. In einem Meer aus Jubel und Licht laufen wir über den roten Teppich auf das Zieltor zu. Ein ereignisreiches Läuferjahr setzt hier auf dem roten Teppich in Frankfurt mit Bestzeit (2:45:05) einen tollen Schlusspunkt. Bestzeit in diesem Jahr über 5km, 10km, 21km und 42km! Gänsehaut-Feeling!

11.964 sind es in diesem Jahr, die laut Finisherliste das Glücksgefühl dieses besonderen Zieleinlaufs genießen dürfen.

Dann schnell weitergehen. Große Medaille, sehr gute Verpflegung: Riegel, warme Suppe, Tee, Striezel, viel Obst. Die lange Schlange beim Bier spare ich mir fürs erste. Die Belohnung hebe ich mir für später beim Italiener auf, bevor ich im Spa-Bereich des Hotels die Relax-Phase einläute.